Loreleygemeinde Bornich

Die Politische Verhältnisse im Mittelalter

Was brachte die Heppenhefter aber nun dazu, in unserem kleinen, im Vergleich zum Rhein doch relativ abgelegenen Wald- und Wiesental eine Burg zu bauen? Vielleicht finden wir eine Antwort darauf, wenn wir uns die historische Entwicklung unserer Gegend etwas genauer anschauen.

Das Gebiet unseres heutigen Loreleykreises deckt sich fast völlig mit dem ehemaligen Einrichgau, der ursprünglichen politischen Gliederung aus der Karolingerzeit (8./9. Jahrhundert). Das Reichsgebiet der karolingischen Könige (die Nachfahren Karls des Großen) war damals in einzelne Verwaltungsgebiete, sogenannte Gaue aufgeteilt, die von einzelnen Grafen verwaltet wurden. Gaugrafen des Rheingaues z.B. waren die oben bereits erwähnten Rheingrafen, die jedoch gegenüber dem mächtigen Mainzer Erzbischof immer mehr an Macht und Selbständigkeit verloren. Mainz hatte in der sogenannten Veroneser Schenkung 983 (6) von Otto II. wesentliche Besitzrechte im Rheingau bis hin zu dem Dörfchen Kaub erhalten, und konnte seine Machtstellung dort nach und nach ausbauen, ohne daß die Rheingrafen ihre eigentliche Grafenwürde verloren, obwohl immer weniger Rechte daran geknüpft waren. Bis ins 12. Jahrhundert hatten sie jedoch noch das Amt des Vogtes und die hohe Gerichtsbarkeit inne.

Die Grafenwürde als Verwaltungsaufgabe konnte im frühen Mittelalter verliehen oder verlehnt werden, später wurde der Titel erblich, nur die damit verbundenen Rechte wurden aufgesplittet und weitergegeben. Den Einrichgau hatte das Erzstift Trier mit Marienfels als Sitz der Grafschaft von König Konrad II. 1031 erhalten (7). Die Trierer ihrerseits belehnten dort anssäßige Adlige mit der Grafenwürde. Die Ältesten uns namentlich bekannten Grafen des Einrichs waren die Arnsteiner, von denen der letzte, Ludwig (+ 1185), seine Burg 1139 in ein Kloster umwandelte und die Grafenwürde an seinen Vetter Rembold von Isenburg abtrat, der wiederum große Teile der Grafenrechte an seine Vettern, die Grafen von Laurenburg-Nassau und Katzenelnbogen verkaufte. Für sich behielten die Isenburger die Gerichte Bornich und Osterspai und das Gericht Niederwallmenach mit Reitzenhain, womit sie später die Heppenhefter belehnten. Bornich und Osterspai waren bereits vorher im Besitz des Klosters Oeren-St.Irminen in Trier, das die Isenburger, lange bevor sie das Erbe der Arnsteiner über das übrige Gebiet im Einrich angetreten hatten, als Vögte und Schutzherren seines Besitzes dort eingesetzt hatte.

Das ursprünglich wohl geschlossene Gebiet des Einrichgaues hatte also durch verschiedene Belehnungen und häufige Machtwechsel schon früh seine Einheitlichkeit verloren. Viele geistliche und weltliche Herren hatten dort Fuß gefaßt so daß für uns heute fast unmöglich ist, die vielfältigen Besitzverhältnisse und Rechte zu entschlüsseln. Auch in Weisel, Dörscheid, Sauerthal und Kaub waren Rechte und Besitztümer früh zwischen verschiedenen Herren zersplittert. Als erste gesicherte Grundherren begegnen uns dort die Reichsministerialen von Bolanden, die ihren Besitz möglicherweise von den Isenburgern durch eine Heirat empfangen haben. Ihre Nachfahren, die Linie Falkenstein und die Herren von Münzenberg sowie die Isenburger verkauften ihre Rechte und Besitztümer zwischen den Jahren 1277 und 1289 an die Kurpfalz, wo das Gebiet fortan als Unteramt Kaub geführt wurde.

Mainz hatte vom südlich angrenzenden Rheingau aus versucht, im Gebiet des Einrichs Fuß zu fassen und sein Herrschaftsgebiet auszudehnen. Mit Sicherheit war es auch den Erzbischöfen gelungen, hier Besitztümer zu erwerben: in der ersten urkundlich gesicherten Erwähnung von Weisel 1128 (8), einer Schenkung verschiedener Güter von Erzbischof Adalbert I. ans Mainzer Domkapitel, wird eine von Erzbischof Wezilo (1084 - 1088) herrührende Rente zu Weisel aufgeführt. Für den Bau der Burg Heppenheft auf den Gemarkungsgrenzen der oben genannten Orte gibt es so verschiedene Möglichkeiten: denkbar ist, daß die Heppenhefter Ritter sie als Dienstmannen der Isenburger, von denen sie zu einem unbekannten Zeitpunkt mit der Vogtei in Niederwallmenach und Reitzenhain belehnt wurden, errichteten. Möglicherweise veranlaßten aber auch die Mainzer Erzbischöfe ihre Ministerialen, hier eine neue Burg zu bauen, um ihre noch vagen Rechte dort zu behaupten und gegebenfalls weiter auszudehnen oder auch um die Ansprüche der angrenzenden Isenburger oder Trierer Herren in Schach zu halten.

Die genaue Lage der Burg hängt vielleicht auch mit den Handelswegen des Mittelalters zusammen. Der Rhein spielte Anfang des 12. Jahrhunderts noch nicht die Rolle als Verkehrsader wie in späterer Zeit, was sich unter anderem daran ablesen läßt daß die meisten Rheinburgen erst im 13. Jahrhundert gebaut wurden. Stattdessen wurden viele Güter über die Höhenzüge des Mittelgebirges auf uralten Handelsstraßen transportiert, von denen eine, die sogenannte Römerstraße mit ihrer noch heute sichtbaren römischen Befestigung, genau gegenüber der Burg Heppenheft gut einsehbar auf dem Kamm vor Reitzenhain Richtung Niederwallmenach entlangläuft. Vielleicht waren die Heppenhefter auch beauftragt, die vorbeiziehenden Händler vor räuberischen Übergriffen zu schützen, sie zu begleiten und dafür entsprechende Geleitgelder zu kassieren.

Es ist zwar denkbar, wie es der Mythos der Herren von Wisilo nahelegt, daß die Vorfahren der Heppenhefter bereits in Weisel oder in einem der angrenzenden Orte ansässig waren, dort einen eigenen Hof hatten und Isenburger oder Mainzer Güter verwalteten. Allerdings finden sich in der nachfolgenden Zeit keine Hinweise auf Besitz oder Rechte in Weisel. Unwahrscheinlich ist auch, daß sie versucht hätten, hier auf eigene Initiative eine eigene kleine Grundherrschaft gegen ihre mächtigen Nachbarn zu errichten. Dazu fehlten ihnen sicher Mittel und Möglichkeiten und dagegen sprechen auch die bekannten Tatsachen, u.a. ihr Dienstverhältnis zu Mainz.

(6) RMEI XVII 34

(7) Vgl. zum folgenden: Sponheimer, Meinhard: Landesgeschichte der Niedergrafschaft Katzemelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, Marburg 1932

(8) NU1 176, Mu1 554, Orginal im Hauptstaatsarchiv München

© Dr. Margit Goettert in Zusammenarbeit mit Gerhard Friese 24.03.2002

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